Presse: Erstes Halbjahr Gemeinschaftsschule in Blaubeuren
BILDUNG / Die Gemeinschaftsschule in Blaubeuren läuft seit einem halben Jahr
"Viele Kinder blühen richtig auf"
Selbständiges Arbeiten trägt Früchte - Herausforderungen für Schüler, Lehrer und Eltern
Schülern und Lehrern der Blaubeurer Gemeinschaftsschule geht es gut mit der neuen Form des Unterrichts. Enorm, wie selbständig die 45 Fünftklässler ihre Lernzeit planen und überdenken. Das bedeutet aber auch viel Arbeit.
von THOMAS SPANHEL
Lehrerin Mara Kaltenbach lässt an diesem Mittwochmorgen um 7.45 Uhr die Klangschale klingen, stimmt ein englisches Morgenlied an und stellt die knapp 20 Schüler ihrer Gemeinschaftsschul-Lerngruppe dann kurz und präzise auf eine individuelle Deutschzeit ein: "Überlegt Euch, was für ein Thema ihr bearbeitet, in welchen Raum ihr geht, welche Materialien ihr braucht." Ruhig stehen die Fünftklässler auf. Einige holen sich Material aus dem Schrank im Klassenzimmer, andere verständigen sich im Flüsterton mit ihren Arbeitspartnern auf eine Zusammenarbeit. Ruckzuck sind die Kinder bei der Arbeit im Flur, am Tisch oder am Computer im Lernbüro - und so leise, wie man es in einer traditionell unterrichteten Klasse bei Freiarbeit nur selten erlebt. Sahin (10) und Leandro (12) stellen ein Märchenbuch zusammen. Sahin schreibt dafür eine eigene Geschichte in den Computer: "Ich habe mal das Märchen vom Gestiefelten Kater im Fernsehen gesehen", flüstert er. Daran orientiert er sich und tippt munter drauflos. "Nächste Woche muss unser Buch fertig sein." Leandro schaut zuerst nach geeigneten Fotos für das Froschkönig-Märchen. Dann schreibt er fehlerlos das Märchen von den Sterntalern ab. Einige Plätze weiter arbeitet ein Mädchen an ihrem Arbeitsplatz mit einem Arbeitsblatt an Wortfamilien, daneben korrigiert ihre Freundin einen Text mit vielen Grammatik- und Rechtschreibfehlern. "Super, wie die Kinder mitmachen": Mara Kaltenbach und ihre Lehrerkollegin Kerstin Mues, zuständig für die zweite Lerngruppe in der Gemeinschaftsschule, sind begeistert, wie gut die Freiarbeit in den Lernbüros angenommen werden. "In der traditionellen Schule hatten die Schüler nur eine bestimmte Zeit, in der sie ein Thema lernten, dann kam die Klassenarbeit. Die lief hopp oder topp", berichtet Kerstin Mues, die früher zehn Jahre an einer Schule in Ulm unterrichtet hat. Im Lernbüro können sich Schüler nun auch dank der vielen bereitgestellten Materialien so lange etwa im Fach Mathematik mit dem Multiplizieren beschäftigen, bis sie ganz sicher darin sind. Dadurch falle es ihnen später leichter, den nächsten Lernbereich zu bewältigen. Schön sei auch zu sehen, wie die Kinder neue Ideen entwickeln und gegenseitig angeregt werden, wenn sie regelmäßig ihre Projekte vorstellen - beispielsweise beim Aufführen eines Märchens oder Lesen einer kreativen Geschichte.
"Jetzt mag ich Mathe"
"Mathe mochte ich früher nicht so, aber jetzt schon", erzählt die Fünftklässlerin Lia, der es überhaupt in der Gemeinschaftsschule besser als in der Grundschule gefällt, weil es da ruhiger im Unterricht zugeht und sie auch nachmittags in Ruhe lernen kann: "Das macht mir Spaß." Sie hat nach der ersten Unterrichtseinheit ein viertelstündiges Gespräch mit einer Lehrerin, die sie nicht selber im Unterricht hat - "Coaching" nennt sich das. Lia erzählt dabei Mara Kaltenbach über die Erfolge ihres Handball-Teams am Wochenende, aber auch, was sie vorher schon in ihr Lerntagebuch als persönlichen Erfolg eingetragen hat: "Ich habe gearbeitet, ohne aufgefordert zu werden." Lia hatte bemerkt, dass es ihr schwer fällt, sich auf die ihre jeweilige Aufgabe zu konzentrieren, Mara Kaltenbach gibt Tipps, wie sie sich da weiter verbessern kann. Dann fragt die Lehrerin ab, ob Lia sich fit fühlt für den anstehenden Deutsch-Test über Wortarten. Sehr erfolgreich war Lia zuletzt im Fach Englisch - da stieg sie in eine schnellere Lerngruppe auf und erhielt eine positive Rückmeldung auch von ihrer Mutter übers Lerntagebuch. "Das Coaching steht bei den Schülern ganz oben in der Beliebtheitsliste", berichtet Thomas Hilsenbeck, Schulleiter der Blautopf-Schule. Und das, obwohl da den Schülern auch klar gesagt wird, was sie ändern müssen. Aber: "Die Beziehung zum Lehrer hat einen ganz hohen Lerneffekt." Hilsenbeck ist sehr zufrieden mit dem ersten halben Jahr der Gemeinschaftsschule, selbst wenn diese Monate viel Arbeit für das zuständige Lehrerteam und Schüler bedeuteten. Es dauere eine ganze Weile, bis die Schüler sich an die selbständige Arbeitsform gewöhnen. Danach gehe das Lernen aber umso schneller, Grundfertigkeiten bleiben besser hängen: "Wie es die Wirtschaft immer fordert." Für Eltern sei es zunächst auch nicht leicht, die Verantwortung fürs Lernen ganz der Schule zu überlassen - auch, weil es keine Noten gibt. Doch die ausführlichen Kommentare der Lehrer helfen. Positiv für die Familien: Nach Schulende um 15.30 Uhr haben die Kinder wirklich frei. Hilsenbecks schönstes Erlebnis war, wie ein Junge, der in einigen Fächern schwach ist, im Lernbüro dank seiner Fertigkeit am Computer anderen helfen konnte und so regelrecht über sich hinauswuchs. "Viele Kinder blühen richtig auf", hat Mara Kaltenbach beobachtet. Sie unterrichtet eine Schüler-Gruppe in der sechsten Stunde im Fach "Glück". Da erzählt zunächst jeder kurz, wie es ihm geht. Dann erhält eine Schülerin eine "warme Dusche": Die anderen sagen ihr, was sie gut an ihr finden. Anschließend geht es darum, anderen Grenzen zu setzen, was schwer ist in einer Gruppe mit Freunden. Aber auch das gehört zu einer guten Schule.
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Erscheinungsdatum: 30.01.2015, Copyright Das Blaumännle
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